Flexible Arbeitszeitmodelle
Die Hintergründe und Notwendigkeit
Mehr Gehalt? Ein Firmenauto? Ein Jahresbonus? Die Jahresgespräche schlagen mittlerweile eine etwas andere Richtung ein: Heutzutage sind flexible Arbeitszeitmodelle (AZM) mindestens so wichtig, wie monetäre Leistungen und sorgen für weitaus mehr, als einen kurzen Motivationsboost.
Aber ist die gewonnene Freiheit ganz nach dem New-Work Prinzip mehr Schein als Sein?
Wir schauen uns die Situation etwas genauer an.
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Hintergründe
Heutzutage ist es doch so, neben dem bekannten Fachkräftemangel wechseln die Mitarbeiter zusätzlich schnell den Job. Das muss nicht einmal bedeuten, dass ihr aktueller Arbeitgeber oder die Arbeitsbedingungen schlecht sind: Keine Weiterbildungsmöglichkeiten, keine Herausforderungen, keine Unternehmenskultur etc. – Das sind bereits Gründe für einen Jobwechsel. So stehen Unternehmen entsprechend vor großen Herausforderungen:
1. Qualifiziertes Personal finden
2. Qualifizierte Mitarbeiter behalten
Demzufolge müssen Unternehmen in erster Linie für neues Personal attraktiv werden. Das können sie durch den Job, den Standort und die Unternehmenskultur erreichen. Weitere Instrumente:
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Arbeitsbedingungen flexibilisieren (Arbeitszeitmodelle und Arbeitszeitgestaltung)
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Gehalt / Lohn attraktiv gestalten
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Verantwortung übertragen
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Persönliche Gestaltungsspielräume
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Weiterbildungsmaßnahmen und Entwicklungsmöglichkeiten anbieten
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Incentives einführen
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Arbeitsplätze modern gestalten
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Attraktive Vertragskonditionen
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etc.
Ist qualifiziertes Personal erst einmal rekrutiert worden, soll es natürlich auch bleiben. Dafür ist es wichtig zu verstehen, dass neben der Gehaltshöhe auch weitere Faktoren die Zufriedenheit beeinflussen: Nach der Studie „World of Work“ (Marktforschungsinstitut YouGov und Monster) folgten auf Platz 2 Anerkennung und der Respekt und auf Platz 3 bereits die Work-Life-Balance , die von 36% der Deutschen als ausschlaggebendes Argument für ihre Zufriedenheit angegeben worden ist. Nach dem Manager-Barometer (Handelsblatt) verliert das Gehalt auch an Bedeutung. Bei Führungskräften bestimmt demnach die Gehaltshöhe nicht mehr die Attraktivität einer Position. Das Gehalt wurde sogar an letzter Stelle als Grund für einen Jobwechsel genannt und für jeden fünften Befragten sei das Gehalt nicht einmal ein Motivationsfaktor.
Auch aus anderen Studien geht hervor, dass Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, der Führungsstil des Vorgesetzten/der Führungskraft sowie flexible Arbeitszeitmodelle einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit nehmen. Alles zum Wohle der Work-Life-Balance und Selbstverwirklichung natürlich. Je mehr Freiheiten Ihre Mitarbeiter also erhalten, desto mehr schätzen diese die Selbstbestimmung der eigenen Zeit und werden motivierter und vor allem produktiver!
Sie kennen das sicherlich vom Sport: Gehören Sie zu den Frühaufstehern, die um 6 Uhr morgens um den Block laufen, während andere noch schlafen und 1 Stunde lang die Snooze-Taste nutzen? Oder freuen Sie sich auf den Sonnenuntergang und einen gemütlichen Lauf am Abend? Es liegt in unserer Natur, zu einer bestimmten Tageszeit aktiver zu sein. Durch flexible Arbeitszeitmodelle wie beispielsweise die Gleit- oder Vertrauensarbeitszeit wird es möglich, unseren Arbeitstag nach unserer aktivsten Tageszeit zu gestalten, sofern es der Beruf zulässt.
Einsatzgebiete
Warum flexible Arbeitszeitmodelle einführen?
Die flexible Arbeitszeitgestaltung durch AZM und die Option auf Home Office vereinfacht nicht nur die Vereinbarung von Arzt-Terminen – was wirklich eine Entlastung ist. Es gibt Arbeitszeitmodelle, die eine ganz andere Aufgabe verfolgen:
Den Horizont erweitern
Modelle mit Langzeitarbeitskonten ermöglichen ambitionierten und kulturell-begeisterten Mitarbeitern eine längere Auszeit von 3 – 12 Monaten, um eine Weltreise durchzuführen oder an einer Weiterbildung teilzunehmen. Solche Sabbaticals können unterschiedlich gestaltet werden. Im Prinzip ist die Idee aber so, dass entweder Stunden auf einem Arbeitszeitkonto angesammelt und während der Auszeit abgegolten werden, oder für einen gewissen Zeitraum ein Teil des Gehaltes/ Lohnes einbehalten und erst während der Auszeit ausbezahlt wird.
Das ist natürlich eine unglaubliche Möglichkeit für Arbeitgeber und -nehmer. Ein Mitarbeiter, der seine Arbeit für ein Jahr unterbrechen und bei gleichzeitiger Lohnfortzahlung um die Welt touren darf, wird Ihnen sehr dankbar sein und sicher länger erhalten bleiben. Gleichzeitig bildet er sich unfassbar weiter, sollte er an einer Weiterbildung teilnehmen oder seine Reise nicht nur am Strand verbringen. So bietet in diesen Fällen eine Auszeit auch einen Mehrwert für den Arbeitgeber.
Die familiäre Situation berücksichtigen
Auszeiten, Teilzeitmodelle, Home Office: Eine flexible Arbeitszeitgestaltung unterstützt insbesondere Mitarbeiter mit Kindern oder pflegebedürftigen Familienmitgliedern. Auf diese Weise können Kündigungen von qualifizierten Führungskräften verhindert werden, wenn diese nur aufgrund der privaten Situation erfolgen würden.
Ein weiterer sozialer Grund für flexible Arbeitszeitmodelle ist ein bevorstehender Ruhestand. Viele ältere Mitarbeiter sind körperlich gar nicht mehr in der Lage einen 8-Stunden Tag durchzuhalten und dabei produktiv zu bleiben. Die Folge ist ein erhöhter Krankheitsstand und Demotivation. Für diesen Fall gibt es die Altersteilzeit, die auf unterschiedliche Bedürfnisse eingehen kann. Der Mitarbeiter kann seine Arbeitsstunden z.B. reduzieren, trotzdem aber Vollzeit arbeiten und diese „Überstunden“ durch einen vorzeitigen Ruhestand abgelten. Die Arbeitsteilzeit kann darüber hinaus genutzt werden, um seinen Nachfolger einzuarbeiten, bevor der Mitarbeiter komplett aus dem Arbeitsleben austritt.
Die Auftragslage berücksichtigen
Zuletzt gibt es Arbeitszeitmodelle, welche die Auftragslage berücksichtigen, um Arbeitgeber und -nehmer zu schützen. Sollten Unternehmen nämlich unter saisonalen Schwankungen oder einer Durststrecke leiden, besteht immer die Gefahr, dass es zu Leerläufen kommt, welche die Arbeitsplätze gefährden. Um diesen betriebsbedingten Kündigungen vorzubeugen, setzt man ebenfalls Arbeitszeitmodelle ein, um Überstunden in Auftragsspitzen und Arbeitsstunden während einer Flaute zu vermeiden.
Notwendigkeit
Mit AZM wettbewerbsfähig bleiben
Wie wir sehen können, bieten AZM Vorteile für Unternehmen und Mitarbeiter an. Mitarbeiter erhalten durch sie Chancen und eine bessere Lebensqualität. Für Unternehmen führen sie hingegen zu einem innovativen und attraktiven Arbeitgeber-Profil, was die Rekrutierungschancen wesentlich erhöht. So erhalten Unternehmen qualifiziertere Bewerber und im Umkehrschluss bessere Fachkräfte, die ihnen lange erhalten bleiben. Außerdem werden Auftragsschwankungen ausgeglichen und Kündigungen aufgrund von persönlichen Umständen vermieden.
Alle genannten Vorteile führen zusammen dazu, dass die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird:
Die Schattenseite
Der Mitarbeiter muss dafür geeignet sein
Immer wieder wird in den letzten Jahren darüber berichtet, wie die IG Metall, die Wirtschaftsweisen und das Handwerk gegen starre Arbeitszeiten und für eine Wochenarbeitszeit plädieren. So fordert der Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu einer Lockerung der gesetzlichen Regelungen auf: „Ein zu enges Arbeitszeit-Korsett und zu starre und unflexible arbeitsrechtliche Vorschriften tun der Wirtschaft nicht gut.“ Das teilte Wollseifer der Rheinischen Post mit. Im globalen Wettbewerb sei es immer wichtiger Flexibilität zu erhalten, da sich die Digitalisierung auch auf die Arbeitszeiten auswirke. So sagte auch Christoph Schmidt, der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen der „Welt am Sonntag“: „Firmen, die in unserer neuen digitalisierten Welt bestehen wollen, müssen agil sein und schnell ihre Teams zusammenrufen können. Die Vorstellung, dass man morgens im Büro den Arbeitstag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet, ist veraltet.“. Warum ist das Thema also kritisch, wenn es so viele Vorteile gibt?
So schön Arbeitszeitmodelle auch klingen, eines dürfen wir nicht vergessen: Flexibilität und Entscheidungsfreiraum setzen die Übernahme von Verantwortung, Selbst-Disziplin und eine sehr gute Organisations- und Koordinationsfähigkeit voraus.
Keine Selbst-Disziplin und fehlende Ruhepausen
Nicht jeder Mitarbeiter ist in der Lage, seinen Arbeitstag frei einzuteilen und sich selbst zur Arbeit zu motivieren. Neue Studien haben gezeigt, dass Mitarbeiter im Home Office sogar gestresster und unglücklicher sind. Ihnen fehlt der Austausch zu ihren Kollegen, eine klare Struktur, sie lassen sich schnell ablenken und fühlen sich teilweise auch schuldig. Da sie von ihren Kollegen und Vorgesetzten nicht gesehen werden, führt letzteres meistens dazu, dass sie viel länger und zu ungewöhnlichen Uhrzeiten arbeiten. Sie differenzieren nicht mehr zwischen der Arbeits- und Freizeit und arbeiten trotz Krankheit, weil sie skeptische Kollegen und Vorgesetzte befürchten. Sollten die Mitarbeiter mit der gewonnenen Selbstständigkeit und Freiheit nicht zurechtkommen, wirkt sich dies ebenfalls auf die Produktivität und Motivation aus, die durch die Vermischung von Arbeits- und Freizeit immer weiter sinkt.
Neid und schlechte Stimmung
Für den Arbeitgeber sind Arbeitszeitmodelle auch teilweise problematisch. Es können nicht alle Stellen mit einem flexiblen Modell angeboten werden – so ist das z.B. im Schichtdienst der Fall, in welchem sich die Arbeitnehmer zu einer genauen Uhrzeit ablösen. Dadurch kann Neid aufkommen, was sich schlecht auf das Betriebsklima auswirkt. Fehlen Mitarbeiter monatelang muss die Arbeit trotzdem erledigt werden, was sich unter Umständen ebenfalls auf die Kollegen negativ auswirken kann.
Durch die ständige Abwesenheit wird es außerdem schwieriger Meetings zu organisieren und zu koordinieren. Bei Hunderten von Mitarbeitern können auch schnell der Überblick verloren gehen und wichtige Besprechungen eine Planungszeit benötigen. Die fehlende Transparenz reduziert ebenfalls die Kontrollmöglichkeit, sodass eine webbasierte Zeiterfassung eingesetzt werden sollte.
Mehr Flexibilität und weniger Kontrolle führen zu mehr Arbeit
Nach der „Welt am Sonntag“ sind auch Gewerkschaften gegen die Flexibilisierung und Arbeitszeitlockerung, da sie befürchten, dass Arbeitgeber eine Lockerung zur Ausweitung der Arbeitszeiten nutzen könnten. Der DGB-Chef Reiner Hoffmann sieht weniger Probleme in der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, sondern eher in der mangelnden Erfassung der Arbeitszeiten: „Die Beschäftigten hätten unter anderem deswegen im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Überstunden geleistet – „die Hälfte davon unbezahlt“.“, erklärte er der „Welt am Sonntag“.
Fazit
Flexible Arbeitszeitmodelle sind heutzutage in der Tat notwendig, um die Rekrutierungschancen zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die dadurch gewonnen Möglichkeiten wirken sich nicht nur positiv auf die Mitarbeiter aus, sondern bieten auch für Unternehmen einen großen Nutzen.
Zu beachten ist, dass die meisten Modelle ein Arbeitszeitkonto voraussetzen, sodass eine digitale Zeiterfassung unbedingt eingesetzt werden sollte, um die Arbeitsstunden und Abwesenheiten zu erfassen, transparent zu halten und die Verwaltungskosten zu sparen.
Um die Risiken zu reduzieren, sollten flexible Arbeitszeitmodelle außerdem grundsätzlich nur angeboten werden und die Mitarbeiter zu den damit einhergehenden Gefahren informiert werden. Nach einer Einführungsphase sollten zusätzlich Mitarbeitergespräche aufgesucht werden, um die Situation im Auge zu behalten.